Forschung

Welchen Gewinn können wir durch das Üben von Qi Gong erwarten? Wird der Nutzen des Qi Gong durch moderne Messverfahren bestätigt? Wie wirkt es? Kann Qi Gong von jedem leicht und sicher praktiziert werden, auch in unserem Kulturkreis? Welche Schwierigkeiten stellen sich auf dem Übungsweg und wie sind diese am besten zu überwinden? 

Dies sind nur einige der vielen Fragen und Themen, mit welchen sich die heutige Forschungslandschaft rund um das Qi Gong befassen muss und befasst.

"Medizinische Forschung und Qi Gong"
Da sich viele Menschen dem Qi Gong aus gesundheitlichen Gründen zuwenden, genießt medizinisch orientierte Forschung einen hohen Stellenwert. Und in der Tat: das Interesse der ‚medical community‘ am Qi Gong lässt sich an einer stetig wachsenden Anzahl einschlägiger Publikationen ablesen. Zu den typischen Veröffentlichungen zählen beispielsweise: 

  • Fallbeschreibungen einzelner Patienten;
  • Klinische Studien, die mit größeren Patientenstichproben und ausgefeilteren Forschungsdesigns (z.B. RCTs) arbeiten; 
  • Abhandlungen, die sich mit der Erklärung von Wirkungsmechanismen befassen; 
  • Metastudien – dies ist die wichtige Kategorie der „Studien über Studien“ in welchen die Ergebnisse verschiedener Untersuchungen übersichtsartig zusammengefasst, eingeordnet und bewertet werden.


In der Literatur zur medizinisch orientierten Qi Gong-Forschung berichten viele Untersuchungen von positiven gesundheitlichen Wirkungen der Übungspraxis. Die Bandbreite der Erfolge reicht von der Prävention bis hin zur Unterstützung der Therapie zahlreicher Krankheitsbilder. 

Eine grundsätzlich positive Einschätzung wurde in Deutschland bereits 1994 von der „Stiftung Warentest" vorgenommen, die Qi Gong für Entspannung, Erhaltung der Beweglichkeit und Rehabilitation empfohlen hat (Bölts 2003). Heute erkennen viele Krankenkassen Qi Gong als wirksames Entspannungsverfahren an und erstatten – unter gewissen Voraussetzungen – die Kosten von Kursen ganz oder zum Teil.

 

Trotz einer positiven Ausgangssituation muss allerdings weiter geforscht werden. So kommen die durchgeführten Metastudien in der Regel zu dem Ergebnis, dass Qi Gong-Forschung sich künftig größerer Stichproben und anspruchsvollerer Research Designs bedienen und längere Zeiträume betrachten muss, um die Datenlage auszubauen und abzusichern. Dabei sind eine Reihe spezifischer Hürden zu bewältigen, die mit der Erforschung des Qi Gong einhergehen, z.B. die Existenz sehr vieler unterschiedlicher Arten des Qi Gong und erhebliche Schwierigkeiten in der Beurteilung der Qualität des Unterrichts, der Lehrer und dem Grad der Verinnerlichung der Praxis durch den Lernenden selbst.


"Qi Gong nicht nur durch die medizinische Linse betrachten"

Doch Qi Gong nur durch die Linse der Medizin zu betrachten würde dem Phänomen bei weitem nicht gerecht. Qi Gong ist ein historisches, soziales und philosophisches Faszinosum, das eng mit der Kultur Chinas, dem Daoismus, Buddhismus und Konfuzianismus verwoben ist. Abhandlungen wie jene von Cobos Schlicht (2013) oder Heise (1999) werfen Schlaglichter auf die geschichtliche Entwicklung. Belschner (2012) nähert sich dem Qi Gong aus psychologischer Perspektive. Aspekte der Soziologie kommen bei Posadzki (2010) zum Tragen, wenn er auf qualitativ empirischem Weg der Frage nachgeht, wie Übende andere während des Übungsprozesses wahrnehmen. Und an der Schnittstelle von Philosophie und Sinologie wird Qi Gong beispielsweise von Linck (2013) betrachtet. 


"Es gibt viele praktische Einführungen"

Neben eher wissenschaftlich orientierter Literatur gibt es einen beachtlichen Fundus populärwissenschaftlicher Bücher und praktischer Übungsanleitungen, die teilweise von Meistern und teilweise von Schülern geschrieben wurden. Im Angebot finden sich auch zahlreiche DVDs, CDs und Onlinetutorials, die multimedial in das Thema einführen. Trotz des großen Angebots an praktischer Literatur und multimedialer Einführungen wird Interessierten in der Regel empfohlen, sich dem Qi Gong unter Anleitung eines erfahrenen Lehrers zu nähern.

Quellen:


  • Belschner, W. (2012). Erwachen: Qigong als Weg in die Freiheit. Oldenburg: BIS-Verlag der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg.

 

  • Biesinger, E., Kipman, U., Schätz, S., & Langguth, B. (2010). Qigong for the treatment of tinnitus: a prospective randomized controlled study. J Psychosom Res., 69(3), 299–304.

 

  • Bölts, J. (2003). Lernziel: Gesundheitskompetenz: der Beitrag des Qigong zur zukunftsfähigen Gesundheitsbildung in der Schule. Oldenburg: Bibliotheks- und Informationssystem der Carl von Ossietzky Univ.

 

  • Bölts, J. (2015). Qigong-Heilung mit Energie: Das Wissen der Traditionellen Chinesischen Medizin. Freiburg: Verlag Herder.

 

  • Cobos Schlicht, C. (2013). Ursprünge der Tradition chinesischer Leibmeisterung (qìgōng): ihr Einfluss auf den Daoismus und Chán-Buddhismus am Beispiel der zwölf Ornamente des Éméi Línjì Qìgōng. Bochum: Projekt-Verl.

 

  • Heise, T. (1999). Qigong in der VR China: Entwicklung, Theorie und Praxis. Berlin: VWB.

 

  • Henz, D., & Schöllhorn, W. I. (2017). EEG Brain Activity in Dynamic Health Qigong Training: Same Effects for Mental Practice and Physical Training? Frontiers in Psychology, 8. 

 

  • Jahnke, R., Larkey, L., Rogers, C., Etnier, J., & Lin, F. (2010). A Comprehensive Review of Health Benefits of Qigong and Tai Chi. American Journal of Health Promotion, 24(6), e1–e25. 

 

  • Linck, G. (2013). Ruhe in der Bewegung: chinesische Philosophie und Bewegungskunst (Originalausgabe). Freiburg: Verlag Karl Alber.

 

  • Oh, B., Butow, P., Mullan, B., Hale, A., Lee, M. S., Guo, X., & Clarke, S. (2012). A critical review of the effects of medical Qigong on quality of life, immune function, and survival in cancer patients. Integrative Cancer Therapies, 11(2), 101–110.

 

  • Olvedi, U. (2011). Das stille Qi Gong nach Meister Zhi-Chang Li: innere Übungen zur Stärkung der Lebensenergie (Vollständige Taschenbuchausgabe). München: Knaur.

 

  • Pongratz, J. (2009). Qi-Gong im Alltag kleine Übungen mit großer Wirkung. München: Knaur-Taschenbuch.

 

  • Posadzki, P. (2010). The sociology of Qi Gong: A qualitative study. Complementary Therapies in Medicine, 18(2), 87–94. 

 

  • Xiong, X., Wang, P., Li, X., & Zhang, Y. (2015). Qigong for Hypertension - A Systematic Review. Medicine, 94(1).